BWI-Bauen-Wohnen-Immobilien_Nr. 1_2021
18 Immobilien E in Hauskauf steht an, ein Haus soll gebaut werden, ein Grund- stück geteilt werden. Wie bei fast allemsind auch hier demVorhaben Grenzen gesetzt. Aber wo genau ver- laufen diese? Um ein Grundstücksvor- haben anzupacken, muss zunächst einmal geklärt werden, wo ein Grund- stück endet und das nächste anfängt. Wo verlaufen die Grenzen eines Grund- stücks überhaupt und wie erkennt man sie? Seit Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum heutigen Tage gilt der Grundsatz des „Code Civil“ von 1804: „Jeder Eigen- thümer hat das Recht, von seinem Grenznachbarn zu fordern, daß ihre aneinanderstoßenden Grundstücke durch Grenzsteine getrennt werden. Das Steinsetzen geschieht auf gemein- schaftliche Kosten.“ Aber auch in früheren Zeiten waren Grundstücksgrenzen bereits gesetzlich anerkannt. So legte das Preußische All- gemeine Landrecht 1794 fest: „Sowohl bei Gemeinheitstheilungen, als in allen Der BWI -Rechtst ipp zum Thema Grundstücksgrenze Grenzerfahrung: Wissen, wo es lang geht! andern Fällen, wo eine Bestimmung der Grenzen erforderlich ist, müssen die- selben deutlich bezeichnet werden.“ Heute finden sich Vorschriften zu Grundstücksgrenzen in den §§ 919 und 920 BGB. Wir lernen: Grenzen werden markiert! Das Grundstückskataster Hinweise zumVerlauf vonGrundstücks- grenzen gibt das in den Bundesländern als öffentliches Register geführte Be- standsverzeichnis aller Liegenschaften (Grundstücke), landläufig Katasteramt genannt. Dort erhält man einen Auszug aus dem Liegenschaftskataster des je- weiligen Grundstücks und eine Liegen- schaftskarte, in der die Flurstücke geografisch markiert – Form, Flur stücksgrenze, Gebäude, Vermessungs- punkte – und näher beschrieben wer- den. Dazu gehören auch die Größe und Art der Nutzung, bauliche Anlagen, Lage/Adresse, Flurstücksnummer, Eigentümer sowie die Grundbuchblatt- nummer. Damit weiß man theoretisch, wo die Grundstücksgrenzen verlaufen. Der verrückte Grenzstein und die verwirrte Grenze Mit der Liegenschaftskarte in der Hand macht man sich also auf den Weg zum Grundstück. Nun gilt es, vor Ort die Grenzen festzustellen. Wenn man Glück hat, befinden sich hier bereits Grenzsteine, die die Eckpunkte einer Grenze markieren. Mindestens drei solcher Grenzpunkte markieren den Verlauf der Grenze. Häufig sind Grund- stücke aber nicht von schnurgraden Grenzen umfasst. Es gilt daher, die in der Liegenschaftskarte eingezeichne- ten Grenzpunkte zu finden, um damit den Umriss des Grundstücks vor Ort feststellen zu können. Das stellt sich für den Laien oft als schwierig bis unmög- lich dar. Häufig sind Grenzsteine ver- schwunden oder liegen nicht (mehr) dort, wo sie der Karte nach liegenmüss- ten. Die Grenzsteine wurden im Laufe der Jahrzehnte verrückt. Manchmal sind die Eckpunkte zwischen zwei Grundstücken überhaupt nicht mehr ausmachbar, es herrscht Verwirrung über den Grenzverlauf. Hier regeln § 919 und 920 BGB, was zu tun ist. Dem Ingenieur ist nichts zu schwer Esmuss Klarheit über denGrenzverlauf geschaffen werden, nicht nur, um zwi- schen Nachbarn keinen Streit aufkom- men zu lassen. Bei Bauvorhaben will die finanzierende Bank wissen, welches Grundstück sie beleihen soll. Die Bau- genehmigung wird nur erteilt, wenn die Bauabstände zur tatsächlichen Grund- stücksgrenze eingehalten werden. Ein Grundstückskäufer will wissen, wo sein Grundstück endet und das des Nach- barn beginnt. Wenn dies nicht klar ersichtlich ist oder gar nur ein Teil des Grundstücks verkauft werden soll, müssen amtlich bestellte und vereidigte Vermessungs- ingenieur*innen ans Werk. Diese kön- nen feststellen und festlegen, wo nach den vorliegenden Plänen die Grenzen vor Ort tatsächlich verlaufen, und mar- kieren falls erforderlich die Grenzpunk- te neu und erkennbar. Nur dann herrscht abschließend Klarheit über den Grenzverlauf, und alle weiteren Vorhaben können beginnen. Andreas Tietgen Rechtsanwalt, Fachbuchautor und Verbandsjurist BfI www.anwalt-hannover.eu Foto: Alois Wohlfahrt / Pixabay
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