BWI-Bauen-Wohnen-Immobilien_Nr. 2_2021

30 Immobilien W er ein Eigenheim plant und baut, muss derzeit tief in die Tasche greifen. Bevor der Bau beginnen kann, ist zunächst ein Grundstück erforderlich. Bauland ist rar und teuer. Es gibt aber auch Möglichkeiten, günstig an Bauland zu kommen, ohne viel Geld investieren zu müssen. Getreu dem Motto „Der Deutsche Bauer trennt sich nicht von seine Scholle“ gibt es immer wieder Grund- besitzer, die sich nicht endgütlich von ihremGrundeigentum trennen wollen. Hier besteht dieMöglichkeit, das Grundstück für künf tige Generationen im Familienbesitz zu halten und dennoch Bauwilligen zur Verfügung zu stellen. Eigentümer auf Zeit Das Konstrukt des Erbbaurechts ist gut 100 Jahre alt und seit 2007 in der Erbbaurecht-Verordnung geregelt. Die Idee dabei ist, dass ein Grundeigentümer einem Bauwilligen für eine bestimmte Zeit, meist 99 Jahre, das Recht einräumt, das Grundstück zu bebauen und dafür eine Pachtzahlun gleistet. Für das Grundstück wird auf Antrag ein Erbbaugrundbuch beim Amtsgericht errichtet. Grundlage dieses Grundbuchs ist ein Notarvertrag zwischen Erbbaurechtgeber (Grund- stückseigentümer) und Erbbaurechtnehmer (Pächter und Bauherr). In diesem Vertrag ist geregelt, wie das Grundstück bebaut werden darf, wer für die Instandhaltung des Baus zuständig ist und wie viel für die Nutzung des Grundstücks zu zahlen ist (Erbbauzins). Die Höhe des Erbbauzinses rich- tet sich nach dem Wert des Grundstücks, meist um die fünf Prozent jährlich, und ist über die gesamte Laufzeit des Erb- baurechts zu zahlen. Häufig findet man in den Erbbaurechts- verträgen Anpassungsklauseln, die je nach Zeitablauf eine Erhöhung des Erbbauzinses vorsehen, um die Inflation und die Wertsteigerung des Grundstücks auszugleichen. Grundschuld auf „fremdem“ Grundstück Da die Errichtung des Hauses auf dem Grundstück oft nicht aus vorhandenen Mitteln finanziert werden kann, erlaubt das Erbbaurecht auch die Belastung des Grundstücks mit Grundschulden, die zur Absicherung der Hausbaukredits dienen. Damit haftet für den Kredit nicht das eigene Grund- stück, sondern neben dem auf demGrundstück errichteten Haus auch das Grundstück selbst, das weiterhin imEigentum des Erbbaurechtsgebers steht. Bei einer Verwertung des Grundstücks durch Zwangsversteigerung tritt der Erwerber in den Erbbauvertrag ein und wird neuer Erbbaurechtsneh- Der BWI -Rechtst ipp: Das Erbbaurecht Bauen und Wohnen für kleines Geld? mer. Dies gilt auch für den Käufer eines Erbbaurechts, denn das Erbbaurecht – und das auf dem Grundstück errichtete Haus – kann verkauft werden. Haus gebaut und Erbbauende – was nun? Wer denkt, nach Ablauf der Erbbauzeit müssen das auf dem Grundstück gebaute Haus wieder abgerissen werden oder geht nahtlos in das Eigentum des Erbbaugebers über, liegt falsch. Nach Ablauf der Erbbauzeit ist der Erbbaurechtsgeber verpflichtet, für das auf dem Grundstück errichtete Haus eine Entschädigung für das Bauwerk zu zahlen. Als „ange- messene Vergütung“ wird dessen Verkehrswert angesehen. Der Grundstückseigentümer kann seine Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung dadurch abwenden, dass er dem Erbbauberechtigten das Erbbaurecht vor dessen Ablauf für die voraussichtliche Standdauer des Bauwerks verlängert; lehnt der Erbbauberechtigte die Verlängerung ab, so erlischt der Anspruch auf Entschädigung allerdings. Erbbaurecht in der Praxis Selten wird ein Erbbaugrundstück erstmalig durch Privat- personen angeboten. Hier haben vielmehr Kommunen, Kir- chen und Stiftungen, Adelshäuser und Unternehmen ein Interesse daran, die Grundstücke über Generationen im Eigentum zu halten. Da ein Erbbaurecht aber in der Regel verkauft werden kann, gibt es immer wieder auf dem Im- mobilienmarkt günstige Erbbauangebote zum Kauf. Andreas Tietgen Rechtsanwalt, Fachbuchautor und Verbandsjurist BfI www.anwalt-hannover.eu Erbbaurechte lassen sich auch weiterverkaufen. Foto: Heike Hering / pixelio.de

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