SAILAWAY | Ausgabe 1 - 2025

Steinhuder Hecht (aus: Wagener-Fimpel, Die Festung Wilhelmstein im Steinhuder Meer) Die wohl berühmteste Erfindung aber war der >Steinhuder Hecht< - das älteste deutsche U-Boot. Entworfen hatte es Jakob Chrysostomus Praetorius, der als Ingenieur, Geograph und Offizier in den Diensten des Grafen Wilhelm von Schaumburg-Lippe stand. Als Wilhelm im Jahre 1762 den Oberbefehl in Portugal erhielt, schlug ihm Praetorius ein Tauchboot als Aviso (Postschiff) vor, welches eine schnelle und sichere Verbindung nach Schaumburg-Lippe gewährleisten würde. Erhalten haben sich zwei Entwürfe, auf denen die Fischform des Bootes gut erkennbar ist. Bei Überwasserfahrt sollte es von Segeln angetrieben werden, die als >Rückenflossen< ausgebildet waren. Unter Wasser sollte der >Steinhuder Hecht< durch Schläge des von der Besatzung (30-40 Mann) gezogenen Fischschwanzes angetrieben werden. Nachdem der Krieg beendet war, entfiel der militärische Zweck, so dass diese Entwürfe zunächst nicht umgesetzt wurden. Praetorius, der Lehrer an der Militärschule wurde, verfolgte seinen Plan jedoch weiter und träumte bereits von der Möglichkeit einer Forschungsreise unter dem Polareis hindurch. Wäre eine solche Fahrt - noch dazu mit diesem ganz neuen Schiffstyp - ausführbar gewesen und auch geglückt, so hätte das Praetorius und seinen Herrn mit einem Schlage weltberühmt gemacht. 1771 schließlich war es so weit: Graf Wilhelm beschloss den Bau eines >Fisches<, der etwa zehn Meter lang und damit kleiner als die ursprünglichen Entwürfe gewesen sein dürfte. Von diesem Boot sind keine Zeichnungen und nur wenig Nachrichten erhalten, da es den Gepflogenheiten der Militärschule gemäß streng geheim gehalten wurde. Es wurde 1772 auf dem Wilhelmstein oder auf einem der Außenwerke gebaut, was zur Geheimhaltung beitrug, da die Festung nicht nur Fremden, sondern auch Einheimischen fast völlig verschlossen war. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts soll es im fürstlichen Archiv einen Bericht über den >Hecht< gegeben haben, der in späteren Jahrzehnten jedoch nicht mehr auffindbar war. Hiernach hatte das Boot Raum für acht Mann und konnte etwa zwölf Minuten tauchen. Es ist jedoch nicht bekannt, wie der Tauchversuch mit dem >Fisch< ausging, wie er beurteilt und ob er womöglich wiederholt wurde. Obwohl das U-Boot für die Verteidigungsanstalten des Grafen am Steinhuder Meer mit seiner geringen Wassertiefe wenig Sinn machte, scheint es nicht schlechthin als Torheit abgetan worden zu sein und wurde auch im Unterricht der Militärschule behandelt, sogar als Modell nachgebaut. Nach dem Tod Wilhelms befand man den >Hecht< auch ohne Funktion für wichtig genug, um als Muster oder Sehenswürdigkeit erhalten und bei Bedarf repariert zu werden. Sein Vorhandensein ist in den Flottenrapporten über zwanzig Jahre lang belegt, danach verliert sich die Spur des ersten deutschen U-Bootes. Modell in der Festung Wilhelmstein/Foto: Ziko Rückblick 40

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