NAUTISCHE SEEFAHRT UND GETRÄNKE ARTIKEL VON: EMKE HILLRICHS In einem feuchtfröhlichen Bummel wollen wir mit ihnen eine Reise durch zwei Jahrtausende Seefahrtsgeschichte unternehmen: selbstverständlich auch mit einigen Tipps und Rezepten unterschiedlichster Mixgetränke für Trink- und Standfeste, ganz uneigennützig selbst erprobt, an und auf den „Sieben Weltmeeren“. Hier wollen wir auf lustige Weise zeigen, wie der Seemann mit Wein, Bier, Rum und Schnaps freiwillig oder unfreiwillig, pur oder verdünnt – gelegentlich auch mal mit Schießpulver gemixt – lebte und leben musste, obwohl schon frühzeitig Ärzte und Admirale die ungute Wirkung des Alkohols erkannten und dagegen wetterten. Es gab aber auch Zeiten, da wären Segelschiffe ohne Besatzungen gewesen, hätten nicht „Pressgangs“ und „Shanghaier“ dafür gesorgt, dass die Kapitäne genügend Leute zum Auslaufen hatten. Vor langer, langer Zeit, als der Mensch zum ersten Male seine Augen über die unendliche Weite des Meeres gleiten ließ und sich neugierig fragte, was denn hinter dem in der Sonne flimmernden Horizont wohl liegen möge, durchkreuzten zwei Gedanken sein unstetes und nach Wissen und Erkenntnis durstendes Hirn. Erstens, dass mit der Hilfe von sieben zusammengebundenen Baumstämmen seine Welt nicht länger am Strand ende, und zweitens, dass der gegorene Saft von gewissen Getreidekörnern, Früchten oder auch Gemüsen eine Reise zum Horizont viel genüsslicher, freudvoller und auch ungefährlicher mache. Nie zuvor in der Geschichte des jungen Menschengeschlechts fügten sich zwei Geistestaten so nahtlos aneinander, dass sie eins und untrennbar geworden über Jahrtausende Bestand hatten. Als der erste Mensch dann seinen Fuß auf das erste Floß setzte, seinen am Strand zurückbleibenden Freunden und Verwandten zuwinkte und sich wagemutig in das Abenteuer „Seefahrt“ stürzte, da hielt er stolz in der einen Hand ein rohgeschnitztes Paddel, in der anderen eine Kalebasse – bis zum Rand gefüllt mit gegorenem Gebräu. Genau in diesem historischen Augenblick – unbestimmbar und vergessen irgendwo in nebliger Vergangenheit – wurde die einmalige „Liebesgeschichte“ zwischen Seefahrern und ihrer Flasche geboren. Kein Seemann, wert seiner Heuer (Gehalt), hat seither je einen Hafen verlassen, ohne nicht für einen ausreichenden und gesunden Vorrat an Alkohol an Bord zu sorgen. Welche Flagge auch immer das Heck zierte, in welcher Richtung der Bug die rauschenden Wasser der Sieben Meere auch teilte, das Wichtigste auf dem Schiff war das Fässchen Rum, Arrak, Gin, Brandy, Schnaps oder was sonst noch alles stark, billig und in ausreichender Menge zu bekommen war. Und solange unstete Wellen und unsterbliche Wogen ihre feuchten Finger nach dem Lande ausstreckten, wird weder Eifersucht noch Untreue die Liebe zwischen dem Seemann und seiner Flasche trüben oder gar zerstören. Womit der Becher jenes ersten Seemannes denn nun wirklich gefüllt war, und was sich in dem sorgsam festgelaschten Seesack befand, wir wissen es heute nicht mehr zu sagen. Unser "Ur-Ur-Vetter" vergaß wohlweislich einen Eintrag in sein Logbuch zu machen. Der große Romanautor Jack London nannte ihn „König Alkohol“, zu Beginn des 19. Jahrhunderts meinte man: „Wer den Grog kontrolliert, kontrolliert das Schiff“ und noch viel früher verglich Homer die Bilder im Artikel KI generiert 78
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