SAILAWAY | Ausgabe 1 - 2025

Trinkgewohnheiten griechischer Seefahrer mit denen der Chinesen. Alkohol in vielerlei Formen spielte im Leben der Seeleute aller Länder von jeher eine unübersehbare Rolle. Und – Hand aufs Herz – ist bei Euch an Bord nicht auch manchmal „Sherry-Time“? Stilblüten aus den Logbüchern der Jahrhunderte (John Steinbeck, Logbuch des Lebens) Alkohol war schon von jeher ein Linderer der Schmerzen, ein Erwärmer der Herzen, ein Stärker der Muskeln und des Geistes. Er gab den Freiwilligen Mut und ließ Hässliche anziehend erscheinen. Man erzählte sich von einem alten ausgedienten Seemann, der zerlumpt und dreckig am Kai saß. Da er so recht betrunken war, sprach er staunend und leise zu sich selbst: Ich bin reich und glücklich – und vielleicht sogar ein wenig schön. (R.H. Dana, Zwei Jahre vor dem Mast 1865) …des Nachts und am frühen Morgen bekamen wir heißen Tee, der mit einem Schuss Rum und Rübenkraut gesüßt war. Die Männer nannten diesen Trunk sinnigerweise „Hexenwasser“. Es war unsere einzige Freude. So fürchterlich das auch schmeckte, wenigstens warm und belebend war es und zusammen mit Zwieback und kaltem Salzfleisch machte es immerhin eine Mahlzeit. (Graf Luckner, Seeteufels Weltfahrt 1910) Nur eins war warm, vor dem Mast und hinter dem Mast, das waren die Grogkessel. Das Wasser brauchten wir nur, um den Rum anzuwärmen … und wenn wir einen Grog trinken wollten, mussten wir erst unsere Finger am Kessel aufwärmen, damit uns das Glas nicht aus den Händen fiel. Dem Erfinder des Grogs haben wir heiße Dankgebete geschickt, wenn uns dabei auch die Worte in den Bärten und Schals zu Eis gefroren, dass wir aussahen wie Walrösser. („Western Mail“, Perth/W.-Australia, 1928) Als auch die letzten Wasserreserven aufgebraucht waren, brachen die Offiziere und Mannschaften gemeinsam die Ladungskisten auf und stillten ihren Durst mit Hochland-Whisky. Das ging eine Woche so, ehe man einem Dampfer der P&O-Linie begegnete. Die Offiziere wunderten sich sehr über die Signale des Whisky-Frachters. Diese besagten, dass gleichzeitig Pest, Gelbfieber und Masern an Bord ausgebrochen seien. Andre Flaggen zeigten an, man sei auf ein Riff gelaufen, brauche dringend ein Boot, um tote Seeleute an Land zu bringen, in der Kombüse sei das Feuerholz ausgegangen, der Kapitän sei mit dem Beiboot auf Hochzeitsreise und der Chefsteward habe sich mit der Stewardess eingeschlossen. Als die Offiziere der P&O-Linie an Bord kletterten, kegelte der Kapitän und die Offiziere gerade mit Sektflaschen, während die Mannschaften in bunten Kostümen „Verstecken“ und „Blinde Kuh“ spielten. Der Verrückteste aber war der Bootsmann. Er war auf den Schornstein geklettert und erklärte den Offizieren der P&OLinie, er sei ein Schinken und gerade dabei, sich selbst zu räuchern. Die Drinks der Sieben Meere Der Hobbyseemann hat heute den professionellen Windjammerseemann abgelöst, und mit ihm habe sich auch die Trinkgewohnheiten beträchtlich verfeinert. Er liebt es nuancenreicher. Wir haben versucht, die Maß- und Messangaben so einfach wie möglich zu halten. So schien uns die alte Maßeinheit „Finger“ weit anschaulicher und sinnvoller, als uns in Gramm und Centiliter zu versteigen. Was diese „menschliche“ Einheit vielleicht an Präzision vermissen lässt, macht sie durch ihre Brauchbarkeit leicht wieder wett. Wer möchte wohl bezweifeln, dass es ein schier unmögliches Unterfangen ist, bei Windstärke 8 genau 6 ½ Centiliter abzumessen, wenn das Boot rollt und stampft oder sich gar auf die Seite legt. Das Wetter muss aber erst noch erfunden werden, das einen echten Seemann hindert, sich 2 bis 3 Finger Rum in ein Wasserglas zu kippen. Ein Finger bedeutet für unsere Rezepte jene Menge Flüssigkeit in einem normalen Wasserglas, die in Höhe die Dicke eine jeden Fingers der rechten oder linken Hand – den Daumen ausgenommen – ausmacht. 79

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