Seemannsgarn Wattwurm Waldemar Ist alles Wasser abgelaufen, sieht man bei Ebbe tausend Haufen, und es fragt sich jedes Kind, was das wohl für Haufen sind? Was ist denn hier geschehen? Niemand ist zu sehen! Und da liegt es auf der Hand: Das Geheimnis steckt im Sand. Im Sand sitzt Wattwurm Waldemar, ein Wurm, der nie im Walde war, weil er sich stets im Watt befand, und wo er war, da sieht man Sand. Johan und seine Schwester Jooke hatten einen alten Opa, den sie „Seebär“ nannten, weil er viele Jahre auf Segelschiffen unterwegs war. Die Kinder waren in allen Ferien, auch mal mit Cousine Mieke, immer ein paar Tage bei Opa-Seebär. Der wohnte mit Oma direkt am Steinhude Meer in einem kleinen weißen Haus am Wasser. Am Abend, wenn Zubettgehzeit war, gingen die Kinder zu Opa-Seebär. Der saß in seinem Sessel mit dem Blick aufs Meer. Opa las nicht aus Büchern vor, sondern erzählte alte, verrückte, spannende Geschichten von der See, vom Meer, von den Ozeanen, strickte dabei einen Schal aus Wolle und erzählte Seemannsgarn. Johan konnte manchmal gar nicht glauben, dass das alles wahr sein sollte. Aber sie zweifelten gleichzeitig auch nie etwas an, was „Opa-Seebär“ erzählt hatte. Aber ganz unter uns: „Seemannsgarn“, das sind Geschichten, die manchmal so wundervoll erstunken und erlogen sind, dass sich die Balken biegen, die Fische aus dem Wasser springen und Purzelbäume schlagen. Manchmal jedoch sind die Geschichten auch wahr. Man kann nie ganz sicher sein, was wahr ist an diesen „Vertellsels“. Immer am Abend fragte der Opa-Seebär „Bett oder Brise“? Eine Brise ist normalerweise ein stärkerer Wind oder auch schon ein kleiner Sturm. Bei Opa-Seebär bedeutete Brise aber eine stürmische Geschichte. Johan, Mieke und Jooke konnten sich noch ganz genau erinnern, als ihr Opa sie das zum ersten Mal gefragt hatte. Da kannten sie sich noch gar nicht aus mit Brisen und Seemannsgarn. Aber ins Bett wollten sie natürlich noch nicht. Also riefen die drei Kinder wie ein Chor: „Brise! Brise natürlich!“ „Gut, dann will ich mal mein Seemannsgarn holen. Denn ohne dieses Seemannsgarn kann man ja keine gute Geschichte stricken“, sagt er und holte seinen alten Seesack. In diesem befand sich ein weißer Karton. Links mit schwarzer Schrift geschrieben: „Seemannsgarn, Grün,“ und auf der rechten Seite: „Seemannsgarn, Gold“. Jetzt holte er aus dem Fach „grün“ ein seltsames Wollknäuel in Grüntönen heraus. Opa-Seebär sagte: „Das Seemannsgarn, mit dem ich hier stricke, ist etwas trocken und ich muss es etwas anfeuchten.“ Er ging zum Regal und holte eine mit Korken verschlossene Tonflasche heraus. "Das ist Meerwasser von Helgoland, bei Vollmond abgefüllt, als die Flut auf dem höchsten Punkt war. Ist sehr wertvoll." Es war mucksmäuschenstill in der Stube, als er ganz vorsichtig drei, vier Tropfen auf das Seemannsgarn tröpfelte. Dann verschloss er die Flasche und stellte sie zurück ins Regal. „Nun ist das Seemannsgarn feucht genug und wir können damit stricken.“ erzählte er weiter. Dann griff er in den Seesack und holte zwei dunkle Stricknadeln hervor, die beide leicht krumm und schief waren. Mieke sagte: „Die sind aber nicht richtig gerade“, „aber das ist ja genau richtig“ erklärte Opa-Seebär. „Die hat mein Ur-Ur-Ur-Opa selber geschnitzt, aus ganz hartem Holz, aus Schwemmholz. Die eine Stricknadel ist der Rest eines abgebrochenen Schiffsmastes. Den hat er nach einem Sturm am Strand gefunden. Die andere ist aus einer angeschwemmten Baumwurzel aus Afrika. Mit normalen Stricknadeln kann man nämlich kein Seemannsgarn stricken.“ Den drei Kindern waren inzwischen schon die Augen zugefallen und ihr Opa brachte sie in ihre Betten. Er beugte sich über die drei und sagte ganz leise zu sich: Morgen stricken wir an einer Geschichte vom „Klabautermännchen“. Bild von Tom auf Pixabay SEEMANNSGARN UND DÖNEKENS Etwas für kleine Matrosen Bild von Andy auf Pixabay 9
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQwNjM=